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8Dissertation, Friedrich-Schiller-Universität Jena, 2016
„Lamarckismus“ ist kein Synonym für LAMARCKS Transformationstheorie. Dessen eigenständige Rezeption als Alternative zur Selektionstheorie beginnt im deutschen Sprachraum erst im Verlauf der 1880er – nach der Übersetzung der Philosophie zoologique 1876, doch primär als Reaktion auf AUGUST WEISMANNS Ultra-Selektionismus. Anders als etwa in den USA repräsentiert der Lamarckismus in Deutschland zwischen 1890 und 1940 eine äußerst heterogene, vielgestaltige evolutionstheoretische Strömung. Die Formel „VEE“ ist ebenso wie „der“ Lamarckismus nichtssagendes Schlagwort – nahezu jeder Lamarckist und jeder Anti-Lamarckist in Deutschland hat sie mit einer spezifischen Bedeutung versehen. Im Kern besagen lamarckistische Evolutionsvorstellungen: Die Umwelt hat im Evolutionsgeschehen primär induzierende und instruierende Funktion. Stammesgeschichtlicher Formenwandel beginnt mit funktionellen Anpassungen des Individuums, mit gerichteten Modifikationen ontogenetischer Entwicklungspfade. Erworbene nichtzufällige entwicklungsrelevante Information ist partiell erblich: die „VEE“ ist funktionelles Brückenglied zwischen Ontogenese und Phylogenese. Die Selektion durch die Umwelt hat – wenn überhaupt – nur nachrangige Bedeutung für das Evolutionsgeschehen. Durchgehend zwischen 1890 und 1940 reüssiert der Lamarckismus im deutschen Sprachraum vor allem unter Zoologen und Paläontologen, doch auch unter Botanikern. Lamarckistische Konzepte waren hier neben orthogenetischen die bedeutendste Alternative zum Neo-Darwinismus. In Deutschland gewinnt der Lamarckismus seit der Jahrhundertwende zunehmend auch eine gesellschaftspolitische Dimension. Da es in lamarckistischen Evolutionsmodellen das „aktive“ Individuum ist, das die Entwicklung – transgenerational wirksam – forciert und lenkt, vertreten Lamarckisten typischerweise milieutheoretische Vorstellungen. Es ist kein spezifisches Experiment, keine singuläre wissenschaftliche Erkenntnis, die dem LAMARCK´schen Denken in Deutschland ein plötzliches, definitives Ende bereitet hätten. Vielmehr verliert das lamarckistische Prinzip in dem Maße an Zustimmung, wie die „harte“ MENDEL- und Populationsgenetik direkt und indirekt erbliche Umweltwirkungen, mithin eine „weiche“ VEE als Quelle erblicher Variabilität überflüssig erscheinen lässt.UnknownFormat -
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12von Jablonka, Eva
Veröffentlicht 2017
Inhaltsbeschreibung & Leseprobe
UnknownFormat